Kategorientheorie/inputs/kategorien.tex

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\section{Kategorien und Beispiele}
\begin{definition}
Eine Kategorie $\mathcat{A}$ besteht aus
\begin{itemize}
\item
Einer Kollektion
(Klasse) $\Ob(\mathcat{A})$ von \textit{Objekten} von
$\mathcat{A}$
\item
Für
jedes Paar $A,B\in \Ob(\mathcat{A})$ eine Menge
$\mathcat{A}(A,B)$ von
\textit{Abbildungen, Morphismen} oder auch einfach \textit{Pfeilen} von $A$
nach $B$
\item
Für alle $A,B,C\in \mathcat{A}$ eine Abbildung, genannt
\textit{Komposition von Morphismen}:
\begin{equation*}
\begin{array}{c c l}
\mathcat{A}(B,C)\times \mathcat{A}(A,B) & \longrightarrow & \mathcat{A}(A,C) \\
(f,g) & \longmapsto & f\circ g
\end{array}
\end{equation*}
\item
Für jedes $A\in \mathcat{A}$ einen
\textit{Identitätsmorphismus}, notiert $1_{A}\in
\mathcat{A}(A,A)$.
\end{itemize}
sodass die folgenden Axiome erfüllt sind:
\begin{itemize}
\item
\textit{Assziativität:}
Für $f\in \mathcat{A}(A,B)$, $g\in \mathcat{A}(B,C)$ und $h\in
\mathcat{A}(C,D)$ ist
\[
h\circ (g\circ f) = (h\circ g) \circ f .
\]
\item
\textit{Identität}
Für $f\in \mathcat{A}(A,B)$ ist $f\circ 1_{A} = f
= 1_{B} \circ f $.
\end{itemize}
\end{definition}
\begin{remark}
Weil wir schreibfaul sind, werden wir oft auch einfach $A\in
\mathcat{A}$ für
$A\in \Ob(\mathcat{A})$ oder auch $f:A\to B$ für $f\in
\mathcat{A}(A,B)$
schreiben.
\end{remark}
\begin{example}
\begin{enumerate}[label=\protect\circled{\arabic*}]
\item
Wir werden Kategorien oft als \textit{kommutative Diagramme} darstellen, einfache
Beispiele einer Kategorie könnte also so aussehen:
\begin{center}
\begin{tikzcd}
A \ar{r}{f} \ar{dr}[swap]{g \circ f} & B \ar{d}{g} & & & \bullet
\arrow[swap]{dl}{k \circ j } \arrow[swap]{d}{j}\arrow[]{r}{f} \arrow["gf = hj "
description]{dr}{} & \bullet \arrow[]{d}{g} \\ & C & & \bullet &
\bullet\arrow[]{l}{k} \arrow[]{r}{h} & \bullet
\end{tikzcd}
\end{center}
Hierbei lassen wir die Identitätsmorphismen weg - wir wissen aber, dass es sie
immer gibt, der Übersichtlichkeit halber sind sie also nicht nötig.
\item
Es gibt die Kategorien $\textbf{Grp}$ und $\textbf{Set}$
aller Gruppen bzw.
Mengen, wobei Morphismen durch Gruppenhomomorphismen bzw.
durch Abbildungen gegeben sind.
\end{enumerate}
\end{example}
\begin{remark}
Hier wird auch Klar, warum wir nicht fordern, dass $\Ob(\mathcat{A})$
eine
Menge ist, denn die 'Menge aller Mengen' existiert nicht.
Um die Kategorie aller Mengen zu definieren, benötigen wir also die 'Klasse
aller Mengen'.
\end{remark}
Wir wollen nun noch eine interessante 'Klasse' an Kategorien kennenlernen:
\begin{example}
Sei $\mathcat{A}$ eine Kategorie mit nur einem Objekt.
Wir können uns $\mathcat{A}$ also vorstellen als ein Objekt und
alle seine
Selbstabbildungen, in etwa:
\begin{center}
\begin{tikzcd}
\bullet \ar[loop left]{}{f} \ar[loop
above]{}{\id} \ar[loop right]{}{g} \ar[loop below]{}{f \circ g}
\end{tikzcd}
\end{center}
(es kann natürlich mehr als die illustrierten vier Pfeile geben).
Die gesamte 'Information' der Kategorie ist darin enthalten, welche Morphismen
es gibt, und wie diese verknüpft werden.
Eigentlich ist diese Kategorie also eine Menge $\mathcat{A}(\bullet,\bullet)$
von Morphismen, mit einer assoziativen Verknüpfung dieser.
In der Mathematik nennt man das ganze auch \textit{Monoid}.
Also
\end{example}
\begin{corollary}
Eine Kategorie mit einem Element ist ein
Monoid.
\end{corollary}
\begin{definition}
Ein Morphismus $f:A\to B$ ist ein Isomorphismus, wenn es ein $g:B\to A$ gibt
mit $f\circ g = \id_B$ und $g\circ f = \id_A$.
\end{definition}
Hiermit ergibt sich auch schnell:
\begin{corollary}
Eine Kategorie mit einem
Element, bei der jeder Morphismus ein Isomorphismus ist, ist eine Gruppe.
\end{corollary}
\begin{remark}
Man kann sich das ganze wirklich wie folgt vorstellen: Eine Gruppe ist ein
Objekt und die Angabe aller seiner Selbst-Symmetrien.
Wenn ich zwei Symmetrien anwende, dann ist das eine weiter Symmetrie, und jede
Symmetrie kann man rückgängig machen.
\\
Es ist völlig unerheblich, ob man eine Gruppe als 'Menge von Elementen' oder
als 'Menge von Selbstabbildungen' interpretiert, es handelt sich einfach um
verschieden Perspektiven.
\end{remark}
\begin{example}
Sei $P$ eine Partialordnung auf einer Menge $M$.
Wir konstruieren eine zugehörige Kategorie, indem wir $\Ob(\mathcat{A})
= M$
setzen, und eine Abbildung von $f:A\to B$ genau dann existieren soll, wenn
$A\leq B$ in der Partialordnung gilt.
Insbesondere gibt es also zwischen zwei Objekten höchstens eine Abbildung.
\\
Die Verknüpfung von Abbildungen entspricht der Transitivität der
Partialordnung. \\
Umgekehrt können wir auch aus jeder Kategorie, bei der zwischen je zwei
Objekten höchstens ein Pfeil existiert und bei der keine 2 Objekte isomorph
sind, eine Partialordnung auf der Menge ihrer Objekte ableiten. (Oder, wenn wir
nicht fordern, dass die Elemente paarweise nicht isomorph sind, auf der Menge
ihrer Äquivalenzklassen bezüglich Isomorphie).
Das ganze könnte dann wie folgt aussehen, wenn wir den Teilerverband von $126$
betrachten:
\begin{center}
\begin{tikzcd}
& 1\ar["1 \mid 2 " description]{dl} \arrow["1 \mid 7 " description]{d}{}
\arrow["1 \mid 3 " description]{dr}{} \\ 2\ar[]{d} \ar[]{dr} &
7\ar[]{dl}\ar[no head]{dr} & 3\ar[no head]{dl} \ar[no head]{d} \ar[no
head]{dr} \\ 14 \ar[no head]{dr} & 6 \ar[no head]{d} \ar[no head]{dr} &
21\ar[no head]{dl} \ar[no head]{dr} & 9 \ar[no head]{dl} \ar[no head]{d} \\
& 42\ar[no head]{dr} & 18\ar[no
head]{d} & 63\ar[no head]{dl} \\ & & 126
\end{tikzcd}
\end{center}
\end{example}
wobei wir die Kompositionspfeile weggelassen haben.
Das ganze könnte auch so aussehen:
\begin{center}
\begin{tikzcd}
& & a
\arrow[loop above]{}{\id_a} \arrow["a \leq d" description]{dddd} \arrow["a\leq
b" description]{ddll}{}\arrow["a\leq c" description]{ddrr}{} \\ \\ b
\arrow[loop above]{}{\id_b} & & & & c\arrow[loop right]{}{\id_c}\arrow["c\leq
d" description]{ddll}{} \\ \\ & & d \arrow[loop below]{}{\id_d}
\end{tikzcd}
\end{center}
\section{Universelle Eigenschaften in Kategorien} Wir wollen nun Objekte in
Kategorien durch ihre 'universellen Eigenschaften' charakterisieren.
Aus der Mengenlehre kennen wir das Produkt $X\times Y$ zweier Mengen $X,Y$.
Aber was macht dieses Produkt speziell, bzw.
besonders?
Jedes Element aus $X\times Y$ 'beschreibt ein Paar von Elementen aus $X$ und
$Y$.
Wie lässt sich dies mit Abbildungen ausdrücken?
Elemente aus $X,Y$ können wir durch Abbildungen $f:M\to X$ und $f:M\to Y$
beschreiben, und wir erhalten eine (eindeutige) Abbildung, die nun von $M\to
X\times Y$ abbildet:
\begin{center}
\begin{tikzcd}
& & & X \\ M
\ar[swap]{drrr}{h} \ar{urrr}{g} \ar[dotted, "\exists !
f" description]{rr} & & X\times Y \ar[swap]{ur}{\pi_X} \ar{dr}{\pi_Y} \\
& & & Y
\end{tikzcd}
\end{center}
Um den Zusammenhang zwischen $X\times Y$ und $X,Y$ zu beschreiben, benötigen
wir noch die jeweiligen Projektionsabbildungen auf die beiden Mengen.
Wir können also folgendes definieren:
\begin{definition}
Seien $X,Y\in
\mathcat{A}$ gegeben.
Ein Objekt $X\times Y$ zusammen mit Abbildungen $\pi_X: X\times Y \to X$ und
$\pi_Y : X\times Y \to Y$ heißt \textit{Produkt} von $X,Y$ wenn es für
jedes
Objekt $M$ und Abbildungen $g:M\to X$ sowie $h:M\to Y$ eine eindeutig
bestimmte Abbildung $f:M\to X\times Y$ gibt, sodass obiges Diagramm kommutiert.
\end{definition}
\begin{remark}
Wichtig ist, dass zum Produkt nicht nur das Objekt selbst, sondern auch die
beiden Projektionsabbildungen gehören.
In \textbf{Set} mag dies zwar 'unnötig' erscheinen, weil die
Projektionen sehr
kanonisch sind, im Allgemeinen ist dies jedoch nicht der Fall.
\end{remark}
Wichtig ist nun vor allem folgendes:
\begin{theorem}
Seien $X,Y\in \mathcat{A}$
gegeben.
Existiert das Produkt $(P,\pi_X, \pi_Y)$, so ist dieses bis auf Isomorphismus
eindeutig bestimmt, d.h.
für $(P',τ_X,τ_Y)$ ein weiters Produkt, gibt es einen Isomorphismus $f:P\to
P'$, sodass auch $τ_X \circ f = π_X$ und $τ_Y \circ f = π_Y$, also
\begin{center}
\begin{tikzcd}
& & X \\
P\ar{urr}{\pi_X} \ar{drr}[swap]{\pi_Y} \ar["\exists f" description]{r} & P'\ar{ur}[swap]{τ_X} \ar{dr}{τ_Y} \\
& & Y
\end{tikzcd}
\end{center}
\end{theorem}
\begin{proof}
Im Vortrag mit folgendem Diagramm:
\begin{center}
\begin{tikzcd}[sep=huge] & X
\\ P_1\arrow[]{ur}{\pi_X^1}\arrow[swap]{dr}{\pi_Y^1} \arrow[]{r}{f} &
P_2\arrow["\pi_X^2" description]{u}{}\arrow["\pi_Y^2"
description]{d}{}\arrow[]{r}{g} & P_1
\arrow[swap]{ul}{\pi_X^1}\arrow[]{dl}{\pi_Y^2} \\ & Y
\end{tikzcd}
\end{center}
\end{proof}
\begin{remark}
Mit diesem Satz wird die 'alternative'
Formulierung des Produkts zweier Objekte erst wirklich nützlich.
Wir sind in der Lage, $X\times Y$ ausschließlich kategorientheoretisch zu
charakteriesieren, ohne auf die Objekte selbst einzugehen.
Wir können also in \textit{jeder} Kategorie sagen, was ein Produkt ist,
nicht
nur in \textbf{Set}.
\end{remark}
\begin{example}
Beispiele von Produkten in Kategorien:
\begin{itemize}
\item
In \textbf{Set}
ist das Produkt genau $X\times Y$
\item
In \textbf{Grp} ist das Produkt das
Gruppenprodukt $G\times H$
\item
In $\textbf{Vect}_K$ ist das Produkt $V\oplus
W$, die direkte Summe der Vektorräume.
\item
Ist $\mathcal{P}$ eine Kategorie, die die Partialordnung $P$ auf
$M$ darstellt, so ist das Produkt von zwei Elementen $a,b$ durch ihr Infimum
gegeben (größte untere Schranke).
\end{itemize}
\end{example}
Ein weiteres wichtiges Konzept in der Kategorientheorie ist das der
'Opposite-Kategorie'.
Aus jeder Kategorie können wir ihre duale Kategorie konstruieren, indem wir
alle Pfeile umdrehen.
Dies führt automatisch dazu, dass wir auch Koprodukte definieren können:
\begin{definition}
Das Koprodukt von $X,Y$ ist ein Objekt $X+Y$, zusammen
mit Einbettungen $ι_X : X \to X+Y$ sowie $ι_Y : Y \to X+Y$, sodass es für
jede Abbildungen $g: X \to M$ und $h:Y\to M$ eine eindeutig
bestimmte Abbildung $f:X+Y\to M$ gibt, sodass folgendes Diagramm kommutiert:
\begin{center}
\begin{tikzcd}
X \ar[swap]{dr}{ι_X} \ar{drrr}{g}\\ & X+Y
\ar[dotted,"\exists !
f" description]{rr} & & M \\
Y \ar{ur}{ι_Y} \ar[swap]{urrr}{h}
\end{tikzcd}
\end{center}
und dieses ist, falls existent, eindeutig bestimmt bis auf eindeutigen
Isomorphismus.
\end{definition}
\begin{proof}
Folgt aus dem Satz über das Produkt unter Verwendung der 'Opposite Kategorie'.
\end{proof}
\begin{recap}
\textbf{Aufgabe:}
Finde das Koprodukt in \textbf{Set}.
\end{recap}
\begin{example}
\begin{enumerate}[label=\protect\circled{\arabic*}]
\item
Man kann die freie Gruppe (Ring, Körper, etc) über einer Menge
kategorientheoretisch sehr schön definieren.
Sei hierzu $X$ eine Menge.
Eine freie Gruppe über $X$ ist eine Gruppe $G$ mit einer Einbettung $ι: X \to
G$, sodass es für jede Gruppe $H$ und jede Abbildung (nicht von Gruppen) $g:
X\to H$ einen eindeutig bestimmten Gruppenhomomorphismus $f : G \to H$ gibt.
Also
\begin{center}
\begin{tikzcd}
G \arrow[dashed, "\exists !
f \text{ Gruppenhom}" description]{rrrr} & & & & H \\
X \arrow[hook]{u}{ι} \arrow[swap]{urrrr}{g}
\end{tikzcd}
\end{center}
Man stellt fest, dass es hierbei völlig unerheblich ist, was die Wörter
\textit{Gruppe} und Gruppenhomomorphismus eigentlich bedeuten, außer
dass es
sich um ein Objekt mit Struktur handelt, und eine Abbildung, die diese erhält.
\\
Die freie Gruppe über einer Menge $X$ kann man sich hierbei noch als 'Wörter
mit Buchstaben aus X' vorstellen (wobei es 'negative' Buchstaben gibt),
besonders wenn es sich um kompliziertere Strukturen handelt, ist es allerdings
nicht leicht, die entsprechenden freien Objekte anderweitig zu verstehen oder
explizit zu konstruieren, kategorientheoretisch passiert jedoch immer dasselbe,
und die Eindeutigkeit zeigt man auch stets gleich.
\item
Wir betrachten ein weiteres Beispiel, das sogenannte Tensorprodukt. Über zwei
Vektorräumen $V,W$ (allgemeiner: Moduln) über dem gleichen Körper (allgemeiner:
Ring), können wir das Tensorprodukt $V \otimes W$ einführen, es stellt eine
'universelle bilineare Abbildung dar', und hat die folgende universelle
Eigenschaft:
\begin{center}
\begin{tikzcd}
V \otimes W \ar[dotted, "\exists !
f \text{ linear}" description]{rrr} & & & M \\
V \times W \ar{u}{ι \text{ linear}} \ar{urrr}[swap]{g \text{ bilinear}}
\end{tikzcd}
\end{center}
\end{enumerate}
\end{example}
\begin{definition}
Ein Objekt $A\in \Ob(\mathcat{A})$ heißt \textit{initial}, falls
es für jedes
$B\in \Ob(\mathcat{A})$ einen eindeutigen Morphismus $f: A \to B$
gibt.
\\
Ein Objekt $A$ heißt \textit{terminal}, falls es für jedes $B$ genau
einen Morphismus $f: B\to A$ gibt.
\end{definition}
\begin{recap}
\textbf{Aufgabe.}
Finde die initialen und terminalen Objekte in \textbf{Set},
\textbf{Grp},
\textbf{CRing} und einer partiell geordneten Menge.
\end{recap}