Kategorientheorie/inputs/gleichheit.tex

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Wir haben nun gesehen, was Kategorien, ihre Abbildungen (Funktoren), und sogar
die Abbildungen zwischen Funktioren sind.
Wir wollen uns nun noch Gedanken darüber machen, was es bedeutet, wenn wir
sagen, dass zwei Objekte 'gleich' sind.
Z.B.
stellt sich die Frage, ob die Mengen
\[
\left \{3,7,11\right\} \quad \left \{\triangle, \square, \bigcirc \right\}
.
\]
gleich sind.
Die Antwort ist wie so oft ein klares 'ja und nein'.
Es handelt sich nicht um \textit{dieselben} Mengen, auch nicht um die
\textit{gleichen} Mengen, denn die enthaltenen Objekte sind verschidene,
aber
die Mengen verhalten sich gleich, sie sind \textit{isomorph}.
Das Konzept von Isomorphie kennt man auch von anderen Teilgebieten, die Gruppen
$\ensuremath{\mathbb{Z}} / 4\ensuremath{\mathbb{Z}}$, und der Rotationen von
$0,90,180,270$ Grad sind zwar nicht gleich, sie beschreiben semantisch
verschiedene Dinge, sind aber \textit{isomorph}, denn sie verhalten sich
als Gruppe selbst völlig gleich.
Wir haben dies bereits allgemeiner schon gesehen, indem wir gesagt haben
\begin{definition}
Zwei Objekte $A,A' \in \mathcat{A}$ sind isomorph, wenn es
$f: A \to A'$ und $g: A' \to A$ gibt, sodass $f\circ g =
\id_{A'}$ und $g
\circ f = \id_A$ ist.
\end{definition}
Zwei Objekte sind also gleich, wenn wir sie gegenseitig aufeinander abbilden
können, und dabei die Struktur erhalten.
Das ganze können wir nun ausdehnen und fragen, wann zwei \textit{Funktoren}
gleich sind.
Wir kennen bereits die Funktiorkategorie
$[\mathcat{A},\mathcat{B}]$, und eine
naheliegende Definition ist somit folgende:
\begin{definition}
Zwei Funktoren
heißen natürlich isomorph, wenn sie in $[\mathcat{A},\mathcat{B}]$
isomorph
sind.
Einen solchen Isomorphismus $α: F\to G$ für $F,G: \mathcat{A}\to
\mathcat{B}$
nennen wir dann natürlichen Isomorphismus.
\end{definition}
Die Funktoren unterscheiden sich also nur dahingehend, welches von sehr vielen
isomorphen Objekten sie einem Objekt $A\in \mathcat{A}$ zuweisen.
Zudem gilt folgendes:
\begin{proposition}
Eine natürliche Transformation
$α:F\to G$ ist genau dann ein natürlicher Isomorphismus, wenn für jedes $A\in
\mathcat{A}$ der Morphismus $α_A$ ein Isomorphismus ist.
\end{proposition}
\begin{definition}
Für zwei Funktoren $F,G: \mathcat{A}\to \mathcat{B}$ sagen
wir, dass $F(A)
\cong G(A)$ \textit{natürlich in $\mathcat{A}$}, wenn $F,G$ natürlich isomorph
sind.
\end{definition}
Hiermit wollen wir ausdrücken, dass die beiden Objekte $F(A), G(A)$ nicht nur
'einfach' isomorph sind, es gilt sicherlich $F(A) \cong G(A)$ für jedes
individuelle $A\in \mathcat{A}$.
Wir können aber zusätzlich noch sagen, dass wir sogar die isomorphismen $α_A:
F(A) \to G(A)$ so wählen können, dass es sich um eine natürliche
Transformation handelt, dass die Isomorphismen also in ein 'größeres Bild'
passen, das sich über die gesamte Kategorie erstreckt.
\begin{example}
\begin{enumerate}[label=\protect\circled{\arabic*}]
\item
Wir wollen zeigen, dass für einen endlich-dimensionalen Vektorraum $V$ gilt,
dass $V \cong {V ^*}^*$ natürlich isomorph zu seinem doppeltem
Dualraum ist.
Den 'kanonischen' Isomorphismus, gegeben durch
\begin{equation*}
α_V \left|
\begin{array}{c c l} V & \longrightarrow
& \left( V^* \right) ^* \\ v & \longmapsto & ev_v: \left|
\begin{array}{c c l} V^* & \longrightarrow & K \\ f & \longmapsto & ev_v(f) =
f(v)
\end{array}
\right.
\end{array}
\right.
\end{equation*}
wollen wir also als natürlichen Isomorphismus erhalten.
Hierzu betrachten wir also die beiden Funktoren $\id : \textbf{Vect}_K
\to
\textbf{Vect}_K$ und $F:\textbf{Vect}_K \to
\textbf{Vect}_K$, wobei $F$ einen
Vektorraum auf seinen doppelten Dualraum schickt.
Wir können nun eine natürliche Transformation $α : \id \to F$ definieren,
indem wir als unsere Komponenten genau die zuvor definierten Isomorphismen
$α_V$ wählen.
Das Nachrechnen, dass es sich um eine natürliche Transformation handelt, ist
(per Hand) ein bisschen langwierig nachzurechnen, aber schreibt sich im
wesentlichen von selbst, wenn man sich die Definitionen klarmacht und sei dem
geneigten Leser überlassen.
\item
Für eine endliche Menge $X$ gibt es genau $n!$ Permutationen auf dieser, und
auch genau $n!$ Möglichkeiten, diese in einer Reihe zu ordnen (eine
Totalordnung zu bilden).
Die Mengen $\Sym (X)$ und $\Ord(X)$ sind also
isomorph, da sie gleich viele
Element besitzen.
Wir wollen im folgenden verstehen, warum die Objekte allerdings nicht natürlich
isomorph sind, man benötigt eine 'arbitrary' Wahl, um solch einen Isomorphismus
festzulegen, und genau diese Intuition präzisiert die Sprache der
Kategorientheorie.
Wir betrachten hierzu die Kategorie $\mathcat{B}$ aller endlichen
Mengen mit Bijektionen zwischen ihnen, und definiren die Funktoren $\Sym :
\mathcat{B}\to \textbf{Set}$ und $\Ord:
\mathcat{B}\to \textbf{Set}$ durch
\[
\Sym(X) = \left \{f:X\to X | f \text{ ist Bijektion}\right\}
\qquad \Ord(X) = \left \{R \subset \mathcal{P}(X) | R
\text{ ist Totalordnung}\right\}
.
\]
Im zweiteren Fall interpretieren wir (wie üblich) $a\leq b
:\iff (a,b) \in R$.
Es ergibt sich dann auch für $f:X\to Y$ in der Kategorie
$\mathcat{B}$, dass
wir $\Sym(f)(\pi) := f\circ \pi\circ f^{-1}$
definieren, und $\Ord(f)(R) :=
\left \{(a,b) \in \mathcal{P}(Y) \mid (a^{-1},b^{-1})\in R\subset
\mathcal{P}(X)\right\} $.
Wir will, kann sich hierzu die kommutativen Diagramme zeichnen und überprüfen,
dass es sich um die 'einzig sinnvollen' Funktoren handelt.
Nehmen wir nun an, es gäbe eine natürliche Transformation $α:
\textbf{Sym} \to \textbf{Ord}$, denn finden wir
Komponenten $α_X$ hiervon.
Wir betrachten nun konkret die Menge $X = \left\{1,2\right\} $, und in
$\mathcat{B}$ die Abbildung $τ_{1,2}: X \to X$, wir erhalten also
folgendes
kommutatives Diagramm:
\begin{center}
\begin{tikzcd}
X \arrow[]{d}{τ_{1,2}} & &
\Sym(X) \arrow[]{r}{α_X} \arrow[swap]{d}{\Sym_{1,2})} & \Ord(X)
\arrow[]{d}{\Ord_{1,2})} \\ X & & \Sym(X) \arrow[swap]{r}{α_X} & \Ord(X)
\end{tikzcd}
\end{center}
Es ist $\Sym(X) = \left \{\id, τ_{1,2}\right\} $, und
wir können nachrechnen, dass $\Sym(τ_{1,2}) = \id$ ist (einsetzen in
die
Definition).
Also muss auch $\Ord(τ_{1,2}) = \id$ sein (kommutatives Diagramm!
).
Das wiederum kann aber nicht sein, denn die Totalordnung $R = \left
\{(1,1),(1,2),(2,2)\right\} $ würde durch $\Ord(τ_{1,2})$ auf $\left
\{(1,1),
(2,1),(2,2)\right\} $ abgebildet werden, Widerspruch.
Also gibt es keine solche natürlich Transformation.
\end{enumerate}
\end{example}
\begin{definition}
Zwei Kategorien $\mathcat{A},\mathcat{B}$ heißen
äquivalent, wenn es Funktoren
$F:\mathcat{A}\to \mathcat{B}$ und
$G:\mathcat{B}\to \mathcat{A}$ gibt, sodass
$F \circ G \cong \id_{\mathcat{B}}$ und $G\circ F \cong
\id_{\mathcat{A}}$
natürlich isomorph zu den Identitätsfunktoren sind.
\end{definition}
Hiermit kann man z.B.
zeigen, dass die Kategorie $\textbf{FDVect}_K$ der endlich-dimensionalen
Vektorräume über einem Körper $K$ äquivalent ist zur Kategorie
$\textbf{Mat}$, die als Objekte natürliche Zahlen besitzt, und als
Morphismen von $m$ nach $n$ die $n\times m$-Matrizen über dem Körper.